Psychische Gewalt
2023 stand psychische Gewalt im Zentrum. Machen wir unsichtbare Gewalt sichtbar!
Über 40% der Frauen in Europa sind betroffen von psychischen Gewalterfahrungen. 20% der Frauen haben mindestens ein Mal in ihrem Leben Stalking erlebt. Nährboden für diese Gewalt sind patriarchale Strukturen, Abwertung von Frauen und ungleiche Machtverhältnisse. Diese gesellschaftlichen Strukturen führen zudem zur Verharmlosung von geschlechtsspezifischer Gewalt.
Beleidigungen, Erniedrigungen, Drohungen, Anschreien, Stalking, Einschüchterungen, Morddrohungen, Erzeugen von Schuldgefühlen, Verbote und Kontrolle: All dies sind Formen psychischer Gewalt. Sie ist häufig subtil und von aussen unsichtbar. Sie kann für Betroffene schwerwiegende und lebensgefährdende Folgen haben. Psychische Gewalt ist oft Teil einer Gewaltspirale Häuslicher Gewalt. Meist kann nur durch Unterstützung von Fachpersonen das Durchbrechen der Gewaltspirale gelingen.
Setzen wir uns gemeinsam für eine gewaltfreie Gesellschaft ein und machen unsichtbare Gewalt sichtbar.
Internationale Abkommen verpflichten zu mehr Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt
Am 1. April 2018 ist in der Schweiz das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) in Kraft getreten. Die Konvention fordert die Schweiz zu umfassenden und diskriminierungsfreien Massnahmen im Bereich der Gewaltprävention und zum Schutz von Gewaltbetroffenen auf. Auch die UN-BRK (UN-Behindertenrechtskonvention) fordert barrierefreie und diskriminierungsfreie Massnahmen zum Schutz gewaltbetroffener Menschen mit Behinderungen. Dennoch stellt die Schweiz unzureichende Ressourcen gegen verschiedene Gewaltformen zur Verfügung - dies auch in Bezug auf psychische Gewaltformen.
Psychische Gewalt ist häufig unsichtbar und subtil
Psychische Gewalt kann überall und allen Gesellschaftsschichten auftreten: zu Hause, in der Ehe/Partner*innenschaft, am Arbeitsplatz, in Schulen oder weiteren Institutionen. Psychische Gewalt zielt darauf ab, Gefühle, Gedanken, Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl eines Menschen angreifen.
Psychische Gewalt umfasst Gewalthandlungen wie Beleidigungen, Erniedrigungen, Drohungen, Anschreien, Stalking, Einschüchterungen, Morddrohungen, Erzeugen von Schuldgefühlen, eifersüchtiges Verhalten, Verbote und Kontrolle. Weiter kann zwischen sozialer (bspw. Kontrolle oder Verbote von Familien- und Aussenkontakten, Isolation und Bevormundung) und ökonomischer Gewalt (bspw. Beschlagnahmung Lohn und Eigentum, Zwangsarbeit oder Arbeitsverbot) unterschieden werden. Psychische Gewalt kann eine Form von häuslicher Gewalt sein.
Dabei ist psychische Gewalt eng mit gesellschaftlichen Diskriminierungen verknüpft. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, gilt es auch Rassismus, Sexismus, Transfeindlichckeit, Homofeindlichkeit, Ableismus (Behindertenfeindlichkeit), Klassismus, Ageismus (Diskriminierung aufgrund des Alters) und weitere Unterdrückungsformen abzubauen.
Die geschlechtsspezifische Komponente bei Gewalttaten gilt es zu benennen und als patriarchale Gewalt oder Männergewalt zu verurteilen. Wird die Geschlechterdimension ausgeblendet, wird ein zentraler Aspekt von Gewalt gegen Frauen unsichtbar gemacht.
Forderungen der «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» 2023
Wir fordern:
dass Stalking als spezifischer Straftatbestand im Strafgesetzbuch verankert wird, damit Vorfälle von Online- und Offline-Stalking untersucht, verfolgt und bestraft werden können.
Massnahmen, welche psychische Gewalt wirksam untersuchen, verfolgen und bestrafen.
einen garantierten Zugang zu und Unterstützung durch Opferberatungsstellen und andere spezialisierte Dienste für Opfer von psychischer Gewalt.
breitenwirksame Sensibilisierungsmassnahmen zu psychischer Gewalt
dass Daten zu psychischer Gewalt erhoben und Studien durchgeführt werden, denn sie bilden die Grundlage, um wirksame Massnahmen zu entwickeln.
dass psychische Gewalt im Opferhilfegesetz berücksichtigt wird.
dass Gewaltbetroffene in Straf- und Gerichtsverfahren adäquat begleitet und so vor weiterer psychischer Gewalt geschützt werden.
dass die Gefahr einer sekundären und/oder tertiären Viktimisierung der Gewaltbetroffenen, bspw. Im Rahmen des Gerichtsverfahrens minimiert wird.
Allgemein fordern wir:
eine aufenthaltsrechtliche Verbesserung für Betroffene von Häuslicher Gewalt und eine eheunabhängige Aufenthaltsmöglichkeit für alle Betroffene nach einer Trennung. Das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG50) muss angepasst werden, um die Rechtsgleichheit unter Gewaltbetroffenen und einen besseren Opferschutz im Sinne einer ungebundenen Aufenthaltsmöglichkeit zu schaffen.
Verbesserung des Schutzes vor Gewalt am Arbeitsplatz durch Stärkung der Verantwortung der Arbeitgeber*in, Sensibilisierung des Personals und klarer Verfahren bei Gewalt.
eine Sensibilisierung für Fachpersonen in Bezug auf verschiedene Gewalt- und Diskriminierungsformen.
inklusive und barrierefreie Unterstützung für Gewaltbetroffene.
die kostendeckende Finanzierung der Opferhilfe, Beratungsstellen und Frauenhäuser.
eine verantwortungsvolle und korrekte Berichterstattung in den Medien.
die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention.
die gesellschaftliche und politische Gleichstellung aller Geschlechter.
Psychische Gewalt muss in den Straftatenbestand
Stalking - eine Form psychischer Gewalt - ist als solches aktuell noch nicht im Straftatbestand abgedeckt. Begründet wird dies damit, dass die unzähligen Handlugnen der Tatperson einzeln betrachtet, oftmals die Schwelle der Illegalität nicht erreichen. Nur wenn Stalking Formen von Drohungen, sexueller Nötigung oder Vergewaltigung annimmt, können Staftatbestände im Sinne des Gewaltschutzgesetzes zur Anwendung kommen.
Auch im Opferhilfegesetz wird nicht spezifisch auf psychische Gewalt eingegangen. Dies, obwohl psychische Gewalt die am weitesten verbreitete Form der Gewalt in bestehenden/ehemaligen Paarbeziehungen ausmacht.
Diese Lücke muss zwingend geschlossen werden.